Menschen sind zutiefst trostbedürftige Wesen. Wir blicken auf das neue Jahr 2018, sind gespannt und hoffnungsvoll – und zugleich ängstlich. Was wird es uns bringen? Bleiben wir bewahrt vor Krankheit und Unglück, vor Verlust und Tod? Ängste begleiten uns, auch an der Schwelle zum neuen Jahr. Diese Gedanken ertragen zu müssen, macht uns zu trostbedürftigen Wesen. Große Philosophen finden gerade in der Angst eine besondere Erschließungskraft des Menschen. Die Urangst, die letztlich hinter allen anderen Ängsten steht, ist die Angst vor dem Tod. „Das Sein zum Tode gründet in der Sorge“, schreibt der Philosoph Martin Heidegger . Die Gewissheit des Todes begleitet das Leben von Anfang an und löst eine bleibende Grundangst aus. Diese Angst ist unheimlich, weil sie unbestimmt ist. Sie kann uns heimatlos machen.
In dieser Heimatlosigkeit ist die Bibel ist das große Trostbuch der Christenheit. Sie schenkt Zuversicht, weil sie einen tröstenden Gott verkündigt: Gott ist ein seelsorglicher Gott, der Israel durch die Höhen und Tiefen seiner Geschichte führt (Ex 20,2f) und der in Jesus Christus seine Liebe zu allen Menschen offenbar gemacht hat (Joh 3,16). Die Bibel gibt den Trostsuchenden eine Sprache, die über das hinausgeht, was sie im Moment der Angst von sich aus sagen könnten. Trost und Zuversicht, das zeigen viele Stellen, gibt die Bibel, wenn der Zweifel, die Trauer und auch die Angst ernst genommen werden. Sie kann trösten, weil sie die Angst kennt. Die biblischen Geschichten tragen den ganzen Gefühlshaushalt der menschlichen Existenz in sich. Kein Gefühl ist zu hoch, keines zu niedrig. Nichts Menschliches ist der Bibel fremd.
Auf diesen Boden fallen auch die tröstlichen Zusagen aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung. „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 21,6). Mit dieser Zusage gehen wir in das neue Jahr. Sie ist noch Zukunftsmusik. Gott wischt noch nicht alle Tränen von unseren Augen. Es gibt noch Tod und Leid und Geschrei und Schmerz. Er löscht noch nicht jeden Durst. Viele Wünsche und Hoffnungen bleiben unerfüllt. Aber das ist schon geschehen: Gott ist unter uns. Gott mit uns – Immanuel. Gott, Mensch geworden, lebt er in unseren Städten und Dörfern. Er lebt in der schicken Villa, in dem schlichten Haus. Er sitzt im Café und lächelt uns an der Ampel an. Er ist schon unter uns. Mensch unter Menschen, in unseren alten Städten, in der alten Welt. Hält eine Sehnsucht in uns wach nach einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Sie treibt uns an. Lässt uns mutig gehen, die Schritte in das neue Jahr. Mit unserer Angst. Mit unserem Durst. Mit unseren Fragen. Mit all dem. Doch Gott will. Er will uns. Will unseren Mut und unseren festen Schritt. Er ist da, uns zur Seite, wenn wir dürsten und fragen und uns ängstigen – und er spricht: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
Ein gesegnetes Jahr wünscht Ihnen Ihr
Ralf Meister
Landesbischof Hannover