Mehr als ein Vierteljahrhundert als Küsterin

Sie ist eine kleine, aber zähe Frau, die Karin Schwarzbach, die nach 28 Jahren im Dienst der Kirchengemeinde Oldendorf am Sonntag, 18. September 2016 um 18:00 Uhr in der St. Martins-Kirche in den verdienten Ruhestand verabschiedet wird. Mit ihrem hervorragenden Gedächtnis erinnert sie sich genau an die vielen verschiedenen Jahre als Küsterin und Reinmachefrau.

Im April 1988 begann sie als Raumpflegerin im neu errichteten Kirchenbüro in Oldendorf. Zwei Jahre später am 01. Juni 1990 trat sie zusätzlich die Stelle der Küsterin der St. Martins-Kirche an. Sie folgte damit ihrer Schwiegermutter Trinchen Schwarzbach als Küsterin.

In der Woche bestand ihre Aufgabe vor allem in der Reinigung und Pflege der Gemeinderäume und des Kirchenraumes. In festen Abläufen wurde gefegt und gewischt, manchmal mehrmals täglich Stühle und Tische für Gruppen und Konfis umgestellt. Kein Schaden entging ihr. Die weitläufigen Außenanlagen lagen ihr genauso am Herzen, wie der Rinnstein vor der Kirche. Besonders im Herbst machten die fallenden Blätter ihre Arbeit zur Sysiphusarbeit.

Karin und Herbert Schwarzbach vor dem Altar

Karin und Herbert Schwarzbach vor dem Altar

 

Die Kirche entdeckte sie stolz als ihre Kirche. Es ärgerte sie schon, wenn Hundebesitzer ihre Hunde zum „Geschäft“ auf ihren Rasen führten. Und sie war persönlich erschüttert, wenn wieder irgendein Chaot ein schönes Kirchenfenster eingeschmissen hatte.

Am Wochenende repräsentierte sie Kirche bei diversen Gottesdiensten – und das treu jedes Wochenende! Selten nahm sie den ihr zustehenden freien Sonntag im Quartal. Mit wenigen Wochen Urlaub war sie zufrieden. In 26 Jahren als Küsterin hat sie keinen Gottesdienst verpasst. Sie erinnert sich aber genau an einen Osterfrühgottesdienst um 06:00 Uhr, den sie fast verschlafen hätte, wenn nicht ein besorgter Anruf der Pastorin sie in Windeseile zur Kirche getrieben hätte.

Schließlich war sie auch für die Zeit zuständig. Einmal in der Woche hieß es, auf den Kirchturm zu krabbeln und die alte mechanische Kirchturmuhr aufzuziehen – mit Kurbel mehrere Betongewichte… Hier wie bei anderen Dingen, wo Kraft gefragt war, half ihr aber auch ihr Mann Herbert Schwarzbach. Zur Bedienung der Uhr gehört auch die Zeitumstellung 2x im Jahr. Im Jahre 2014 verwechselte Karin Schwarzbach einmal die Einstellungen. So beschwerten sich diverse Oldendorfer, dass am nächsten Morgen das 08:00-Uhr-Geläut bereits um 06:00 Uhr erschallte und sie aus dem Sonntagsschlaf riss. Den Einzug einer ersten Läuteautomatik nutzte sie lediglich zum 08:00-Uhr-Geläut. Ansonsten kam sie oder jemand aus der Familie regelmäßig zum Läutedienst.

Karin Schwarzbach bekam den Spagat zwischen der großen Familie und der Küsterei sehr gut hin: Sie war fast immer zuhause ansprechbar und sorgte selbst für ihre Vertretung, falls ein privater Termin sie von der Küsterei abhielt.

Für die alte Kirchenheizung mit E-Öfen war Frau Schwarzbach Spezialistin. Umso unangenehmer war ihr, dass die neue, von vielen skeptisch beäugte Fußbodenheizung zuerst nicht ganz korrekt lief. Mit 13 Grad bei einer Diamantenen Konfirmation war sie überhaupt nicht einverstanden, bekam aber als erste die Beschwerden an den Kopf geworfen… Zum Glück konnte dann ein technischer Fehler entdeckt und behoben werden – und die Küsterehre war gerettet!

Die liebsten Gottesdienste waren für Frau Schwarzbach die Trauungen, früher von Frühjahr bis Herbst an jedem Wochenende, oft gleich mehrere. Sie erfreute sich an den festlichen Kleidern und spürte das Glück der Brautpaare und ihrer Familien.

Aber auch die vielen anders gearteten Gottesdienste bereitete sie gern technisch vor und nach. Dazu gehörte auch das Zählen der Kollekten, wofür sie ein sicheres System hatte, sodass die Summen bei ihr immer stimmten. Sie hatte den Gottesdienst von der Empore her immer gut im Blick und konnte auf Ungewöhnliches spontan reagieren. Das war zum Beispiel nötig, als ein Pastor bei einer Trauung zusammensackte und Notarzt und Krankenwagen vor der Kirchentür standen. Frau Schwarzbach überwand schnell den Schreck und besorgte kompetente Vertretung, sodass das Brautpaar dann doch noch zu seiner Trauung kam.

Besonders zu Weihnachten zeigt sich die Eingebundenheit der Küsterin besonders: Ein Pastor hatte angeheitert einen „schönen Baum“ ausgesucht. Bei Licht betrachtet war der Weihnachtsbaum jedoch hinten völlig kahl und im Stamm völlig schief. Nur mit mehreren schweren Betonplatten konnte Familie Schwarzbach den Baum zum einigermaßen geraden Stand bewegen. Der Pastor hat nie wieder einen Tannenbaum für die Kirche ausgesucht…

Der Adventsmarkt in Oldendorf brachte auch diverse Arbeiten für die Küsterin mit. Frau Schwarzbach wusste genau, wo etwas lagerte. In den 90er-Jahren musste die Küsterin auch noch das große ausgeliehene schwere Ausstellungszelt im Gemeindesaal trocknen und zusammenlegen und zurück nach Stade bringen…

Am Heiligabend hatte Eisregen die Wege zur Kirche unpassierbar gemacht. Die ganze Familie Schwarzbach war mit Streuen und Hacken und Kratzen stundenlang beschäftigt bis kurz vor den Gottesdiensten, die die BesucherInnen heil erreichen sollten. Schnell nach Hause zum Umziehen. Zurück bei der Kirche schon ungeduldiges Gemecker vor der noch geschlossenen Kirchentür: „Hebbt ji verslopen?“ Zwischen den 3 Gottesdiensten schnell zuhause Weihnachten feiern mit der Familie -und früher: Die Bühne auf- und wieder abbauen. Und dann hat sie doch tatsächlich einmal das mühsam aus Israel herangeschleppte Licht von Bethlehem ausgeblasen, bevor die Pastorin es zu ihrer Familie tragen konnte…  Einmal kam tatsächlich gegen 23:55 Uhr eine Polizeieskorte, damit die Kollekte sicher von der Kirche zur Bank (50m) gebracht werden konnte. Dienstschluss dann gegen 00:30 Uhr… Und Silvester zum Jahreswechsel Wache bei der Kirche, damit nicht Raketen die Kirche in Brand setzen, bescheiden mit einem Gläschen Sekt mit ihrem Herbert.

Bei der Verteilung des Martinsboten und von Briefen spielte das Ehepaar Schwarzbach ebenfalls eine gewichtige Rolle: Abholen einer Palette Kartons, früher oft das Falten und Einlegen von Extrazetteln in 2500 Gemeindebriefe, Auszählen für die dörflichen AusträgerInnen und schließlich die Rundreise über 36km durch die Kirchengemeinde, um die abgezählten Exemplare zu den VerteilerInnen zu bringen. Frau Schwarzbach kannte alle Straßen und fast alle Namen und wusste genau Bescheid über familiäre Veränderungen.

Viele bauliche Veränderungen hat sie in ihrer Küsterzeit erlebt: Die Erneuerung des Kirchendachs, die große Innenrenovierung, die 20 Jahre lang angekündigt wurde: „Nächstes Jahr geht’s los!…“, den Neubau des Gemeindehauses, das unter ihrer Leitung ein gastlicher Ort wurde, wo sich Gemeindeglieder wohl fühlten. Cappucino und Kaffee standen immer bereit. Aber auch den Brand und Totalverlust des Organistenhauses 1999 hat Frau Schwarzbach miterleben müssen.

Vieles hat sich im Lauf der Jahre verändert, erzählt sie: Vieles sei besser geworden, die Gebäude pflegeleichter. Ja, sie hat früher viel gefeiert, war Schützenkönigin. Aber am Sonntagvormittag war ihr Dienst, blass war sie zwar manchmal und heiser, aber fit! „Es war eine schöne Zeit,“ resümiert Karin Schwarzbach, „ich habe alles gern gemacht. Ich habe viele Menschen kennengelernt, ihre Gaben, ihre Schicksale. Es gab so viele Gespräche an der Kirchentür! Man zehrt von den guten Zeiten. Sie überwiegen das Schwere.“

(Text: Burkhard Ziemens, Pastor seit 1990 in Oldendorf / Foto: Foto Schattke, Stade)

 

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