Hoffnung
Worauf hoffst du?
Hast du schon mal die Hoffnungen
eines anderen enttäuscht?
Hoffst du auf Gott?
Wogegen würdest du dich gern, wenn es ginge, versichern?
Legst du Hoffnung in dich selbst?
Wann hast du zum letzten Mal etwas gewagt? Was?
Wird dein Leben ein Happy End haben?
Hast du schon mal ein großes Wunder erlebt? Und ein kleines?
Was ist ein Wunder?
Brauchst du eher Hoffnung oder Sicherheit?
Kannst du Hoffnung weitergeben? Wie?
Setzt Gott Hoffnung in uns?
Mich hat mal jemanden gefragt:
„Stephanie, was gibt dir Hoffnung?
Was lässt dich hoffen, dass es weitergehen wird?“
Für mich ist es der Glaube, dass Gott mit seiner Kraft mich umweht
und jeder Windhauch erinnert mich daran, dass es weitergehen wird:
der Wind, der sanft in meinen Haaren spielt oder mich kräftig durchpustet,
der Wind, der Altes verweht und Raum schafft für Erholung und dann Platz für Neues.
Es ist der Wind, der mich hineinweht in die große Hoffnung auf einen Gott, mit dem es weitergehen wird.
„Dieser große herrliche Wind, der Himmel auf Himmel baut;
in sein Land möchte ich gehen und auf seinen Wegen.“ (Rainer Maria Rilke)
St. Müller
Hoffnung oder die Dame in Weiß
Sie lebt immer in Weiß. Über dreißig Jahre lang trägt sie schlichte, weiße Hauskleider. Weil sie scheu ist und etwas unnahbar. Aber sie dichtet, heimlich. Viele Gedichte findet man erst nach ihrem Tod in einem Pappkarton. Und ist fassungslos. So herrliche Gedichte, die damals niemand haben und lesen will. Heute zählt die Amerikanerin Emily Dickinson (1830 – 1886) zu den größten Dichterinnen Amerikas, obwohl ihre Gedichte schwierig sind. Die Gedanken kreisen um Gott und den Glauben. Sie erzählen von Liebe, die Emily sich ersehnte, aber nie besaß – außer zu Eltern und Geschwistern. Und von der Hoffnung, die ein Leben reich macht. Eine Zeile über die Hoffnung heißt:
Hoffnung ist das Ding mit Federn.
Herrlich, dieses Bild: Ding mit Federn. Das klingt leicht und luftig. Es geht hier nicht um Pläne und Wünsche. Es geht um mehr. Hoffnung ist nicht, dass mir ein Wunsch erfüllt wird wie: Lieber Gott, mach bitte, dass ich die Prüfung bestehe; oder: Lieber Gott, lass mich einen Preis gewinnen. Das sind Wünsche. Hoffnung aber ist größer und weiter. Sie ist etwas, in das ich mich hineinlege wie in ein Nest; Hoffnung ist, was mich wärmt und schützt, mein ganzes Leben umschließt, sogar die ganze Welt.
Die sollen nicht verloren oder umsonst sein: Weder mein Leben noch die Welt. Das soll jemand schützend in seinen Händen halten, auch wenn es für meine Augen anders aussieht. Ganz tief in mir soll das weiche und warme Gefühl sein, dass ich gut aufgehoben bin, auch wenn es in meinem Leben stürmt oder dunkel ist. Hoffnung ist das Ding mit Federn. Ich bin nicht verloren, wenn ich mal verliere. Ich bleibe in Gottes Händen, wenn ich sterbe. So groß ist Hoffnung. Sie reicht bis in den Himmel. Ich könnte gar nicht leben, wenn ich das nicht hoffte. Da muss mehr sein als düstere Tage. Es soll auch Weiches und Warmes geben, das Schmerzen lindert und Tränen trocknet. Und etwas, das mich leicht und luftig macht bei aller Erdenschwere. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal … du bist bei mir. Das ist Hoffnung. Dass jemand an meiner Seite bleibt – was immer auch geschieht.
Es gilt das gesprochene Wort.
von Michael Becker, Deutschlandfunk Kultur
11.01.2023 – 06:20 Uhr